Auch noch auf Süßes verzichten?

Neulich hatte ich ein langes Gespräch mit einer Nachbarin übers Fasten in der Passionszeit, erzählt Pfarrer Michael Zippel. Ihr war das alles zu viel. „In meinem Kopf ist seit Wochen Weltuntergangsstimmung“, sagte sie „und jetzt auch noch Passionszeit! Die Welt versinkt gefühlt im Chaos, ich bin gefangen in einer dicken Wolke aus negativen Gedanken und dann soll ich fasten? Nee! Das ist mir „too much! Wenn ich jetzt noch auf Süßes oder Schoki verzichten muss, dann habe ich ja gar keinen Grund mehr, mich am Leben zu erfreuen. Ich streike: Ich faste nicht.“

Ich habe ihr dann erzählt, dass es beim Fasten gar nicht unbedingt nur um das Verzichten gehen muss und was es inzwischen für alternative Ideen gibt: Fasten, um sich zu verändern, ohne auf Nahrungsmittel und Leckereien zu verzichten. Fasten, indem ich auf das schaue, was wirklich wichtig ist im Leben.

Die Fastenzeit vor Ostern ist an Jesu Zeit in der Wüste angelehnt. Da hat er zwar auch auf Essen und Trinken verzichtet, aber vor allem hat er die Zeit genutzt, um seinen Blick neu auszurichten. Genau das kann auch Vorbild für ein Fasten sein: die Welt eine Weile lang anders zu betrachten, über meinen Glauben nachzudenken; auch über den Sinn und Unsinn des Lebens.

Da hat meine Nachbarin die Augenbraue hochgezogen. „Wie soll das gehen? Das klingt kompliziert. Und dann muss ich ja wieder über ernste Dinge nachdenken, denen ich doch zurzeit eigentlich lieber entfliehen möchte!“

Ich habe sie dann unterbrochen und erklärt, dass ihr niemand vorschreibt, über Ernsthaftigkeiten nachzudenken. Und ich habe ihr davon erzählt, dass ich seit ein paar Jahren Pessimismus faste. Das heißt, ich suche mir jeden Tag bewusst eine Sache heraus, die mich optimistisch stimmt. Zum Beispiel aus Alltagsgesprächen mit Kolleginnen oder Klienten. Allein bei der Suche danach stelle ich fest, wie viel Wunderbares unsere Welt zu bieten hat. Und das verändert mich zum Positiven. Es geht mir nicht darum, die Welt rosarot und naiv zu betrachten. Es geht um Dankbarkeit. Um Hoffnung. Um den Mut weiterzumachen.

Gebet: Dankbarkeit

Gott, lass uns die Geschenke des gegenwärtigen Augenblicks schätzen.

Hilf uns, im Hier und Jetzt zu leben

und die Freude an kleinen Momenten zu finden.

Möge unser Leben von Dankbarkeit erfüllt sein,

während wir auf unser höchstes Potenzial zustreben.

Pfarrer Michael Zippel